Paul McCartney (geb. 1942): Liverpool-Oratorio

Am 13. Juni 2012 haben wir in der Paderhalle das Liverpool-Oratorio von Paul McCartney aufgeführt.

Liverpool Oratorio

In der Popwelt ist Paul McCartney ohne Frage ein Klassiker – schließlich hat er mit den Beatles Geschichte gemacht. Doch die sogenannte klassische Musik war lange Zeit nicht seine Welt. Das änderte sich, als 1991 sein Liverpool Oratorio uraufgeführt wurde.

Als Carl Davis, renommierter amerikanischer Filmmusik-Komponist und Dirigent, den Auftrag erhielt, sich zum 150jährigen Jubiläum des Royal Liverpool Philharmonic Orchestra ein ganz besonderes Highlight einfallen zu lassen, hatte er sofort Paul McCartney im Sinn. McCartney ließ sich bald überzeugen, gemeinsam mit Davis ein Oratorium zu komponieren. Bei der Komposition trafen zwei Vollblutmusiker aufeinander, die beide in ihrer jeweiligen musikalischen Welt sowohl als Musiker als auch als Komponisten schon große Erfolge hatten feiern können. Doch während Davis eine solide traditionelle musikalische Ausbildung genossen hatte, hat McCartney seine vielen Popsingles komponiert, ohne Noten lesen zu können. Als sie gemeinsam das Liverpool Oratorio komponierten, äußerte McCartney seine Ideen und Emotionen, Davis schrieb sie in Noten auf und setzte sie für großen Chor, Knabenchor, Orchester und Solistinnen und Solisten in eine Partitur. McCartney ist heute allerdings alleiniger Namensgeber des Werkes.

Das Liverpool Oratorio ist in den ersten beiden Sätzen stark angelehnt an Paul McCartneys eigene Biographie, wird dann aber, um eine Aufbereitung der Beatle-Zeit zu umgehen, fiktiv fortgeführt. Es beschreibt den Lebenslauf des Helden, genannt Shanty, von seiner Geburt während des Krieges über die Schulzeit und Hochzeit mit seiner geliebten Mary Dee bis zur Geburt des gemeinsamen Kindes. Nach Rebellion und Krise findet er schließlich wieder zu den traditionellen Werten und in den Schoß der Familie zurück, ganz entsprechend dem Leitgedanken des Werkes: „non nobis solum, sed toti mundo nati“ – „Nicht für uns selbst, sondern für die ganze Welt sind wir geboren.“

AutorInnen: Stefanie Wiedenmann, Dennis Ruh

Orchester und Chor der Uni Bremen

Paul McCartney’s Werk ist ein klassisches Musikwerk, das einer der berühmtesten Popmusiker der Welt – zusammen mit dem Filmmusik-Komponisten Carl Davis – komponiert hat. Man könnte erwarten, dass das Liverpool Oratorio wie klassisch verpackte Beatles-Musik klingt. Doch das tut es nicht. Vielleicht sind manche Melodien etwas sangbarer und lockerer als in zeitgenössischer sogenannter klassischer Musik heute üblich. Aber wenn auf der Partitur nicht der Name Paul McCartney’s stehen würde, würde niemand glauben, dass er dieses Werk maßgeblich mitkomponiert hat.

Doch etwas anderes fällt beim Hören auf: Das Liverpool Oratorio ist sehr britisch. Von hemmungsloser Sentimentalität, wenn es um Gefühle geht, und gleichzeitig treffsicher und voll trockenen Humors in der realistischen Beschreibung des Alltags. Musikalisch springt das Werk frei von Berührungsängsten von einem musikalischen Genre zum anderen, klingt erst wie moderne Kunstmusik, dann wie neobarocke Kirchenmusik oder wie ein Musical oder wie Filmmusik für einen großen Hollywoood-Film oder wie Musik von Strawinsky. Wir Deutschen tun uns erfahrungsgemäß schwer mit allem, was von der reinen Lehre abweicht. Die in Großbritannien sehr populären Londoner Promenadenkonzerte, die „Proms“, führen uns exemplarisch vor Augen, dass es auch anders geht, dass es auch möglich ist, musikalische Stilgrenzen unbefangen in alle Richtungen zu überschreiten.

Paul McCartney hätte als Junge gerne im Chor der Liverpool Cathedral gesungen und ist nur wegen fehlender Notenkenntnisse nicht aufgenommen worden. Seine persönliche musikalische Prägung ist, was klassische Musik betrifft, typisch britsch und irgendwo zwischen englischer Kirchenmusik und der Filmmusik der BBC-Serien angesiedelt. Und an dieser Stelle kommt Carl Davis ins Spiel: Carl Davis, vielfach ausgezeichnet für seine Filmmusiken, besonders auch für seine Musik zu Filmen und Serien der BBC. Nur dass beim Liverpool Oratorio kein Film auf der Leinwand oder dem Bildschirm erscheint. Der Film zur ausführlichen Handlung entsteht wie beim Lesen eines Buches lediglich im Kopf.

Der Text wurde verfasst von Dr. Susanne Gläß, Universitätsmusikdirektorin des Orchesters und des Chores der Universität Bremen. Der Originaltext ist hier nachzulesen.

Wir bedanken uns für die freundliche Erlaubnis, den Text an dieser Stelle verwenden zu dürfen.

Wer sich etwas einhören möchte: Auf youtube finden sich einige Fragmente des Liverpool-Oratorios. In dieser Sequenz proben Sir Paul McCartney und Carl Davis mit dem Chor!

Szene
Szene 1 aus dem Kulturprisma Saison 2011 / 2012

Szene
Szene 2 aus dem Kulturprisma Saison 2011 / 2012


Nachfolgend die Zeitungskritiken des Konzertes vom 13.06.2012 in Paderborn

Am 15. Juni erschien in der „Neuen Westfälischen“ die nachfolgende Konzertkritik von Ulla Meyer, die auch das Foto erstellt hat. Herzlichen Dank an Frau Meyer für den Artikel und die Genehmigung zur Veröffentlichung an dieser Stelle!



Ebenfalls am 15. Juni ist auch der nachfolgende Artikel veröffentlicht worden und zwar im „Westfalen-Blatt“. Herzlichen Dank an Herrn Günther und an die Redaktion für den Artikel und die Genehmigung zur Veröffentlichung an dieser Stelle!

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