Joseph Haydn: „Die Schöpfung“

Der Dirigent Alexander Mottok hat in einer Konzerteinführung zur Schöpfung am 3. November 2012 in Soltau sehr interessante und wichtige Informationen zusammengestellt. Mit seiner Erlaubnis veröffentlichen wir an dieser Stelle Auszüge aus seiner Rede. Er schreibt:

… Das Thema heute ist die Schöpfung, ein vieldimensionaler und durchaus kontroverser Begriff, dessen Bedeutung sehr stark im Auge des Betrachters liegt. „Schöpfung“ kann für einen Vorgang stehen, also für eine „bewusste“ Handlung mit einem Ergebnis am Ende. Dieses Ergebnis wiederum, also das, was am Ende da ist, nennt man ebenfalls „Schöpfung“, also ein bestehendes Etwas.

Dann hat der Begriff auch noch eine ideologische Dimension. Es gibt um den Schöpfungsbegriff eine erbitterte Auseinandersetzung zwischen extremen religiösen und atheistischen Lagern, dabei ist der Begriff „Schöpfung“ zu einem Politikum geworden, das bei den einen extreme Zustimmung und bei den anderen extreme Ablehnung und Widerspruch auslösen kann, ein polarisierender Kampfbegriff wie „Sozialismus“ oder „Hartz 4“.

Und „Schöpfung“ ist natürlich auch ein moralischer Begriff: natürlich gilt es für uns, die Schöpfung zu bewahren, der Begriff transportiert gleichzeitig ein Gefühl der Verantwortung: der einzelne Mensch versucht, dieser Verantwortung gerecht zu werden, mehr oder weniger erfolgreich.

Wenn man im Internet nach dem Begriff „Schöpfung“ sucht, führt dies zu über 5 Millionen Treffern, gleich die ersten Suchergebnisse sind Seiten von Kreationisten, von „Jenseitsforschern“, von radikalen Atheisten und auch von einem Hersteller von Damen-Dessous...

Aber zurück zur Musik: Joseph Haydn wollte kein kontroverses Werk schaffen, denn zu seiner Zeit gab es nicht nur kein Internet sondern auch keine erbitterte Schöpfungskontroverse. Haydn wollte also niemanden missionieren, sondern eine Thematik verarbeiten, die ihn innerlich bewegte und emotional berührte.

Das ist der eigentliche Kern und das Ziel von Haydns Schöpfung: den Menschen zu erreichen, indem man ihm eine Geschichte erzählt, die ihn im Inneren bewegt.

Joseph Haydns „Schöpfung“ entstand zwischen 1796 und 1798, der Text stammt aus einem Libretto von einem ansonsten unbekannten Autor namens Lidley. Lidley stellte den Text aus drei Quellen zusammen: dem 1.Buch Mose, den Psalmen und dem epischen Gedicht „Paradise Lost“ von John Milton. Der Text von Lidley wurde dann von einem Freund von Haydn namens Gottfried van Swieten bearbeitet und ins Deutsche übersetzt. Die Uraufführung der „Schöpfung“ fand 1798 in einem Wiener Konzertsaal vor geladenen Gästen statt.

Das Werk selbst besteht aus drei Teilen, in den ersten beiden Abschnitten wird die biblische Schöpfungsgeschichte von drei Erzengeln erzählt und kommentiert: Der Erzengel Gabriel wird von einer Sopranistin verkörpert, Uriel von einem Tenor und Raphael von einem Bass-Bariton.

Bevor die Erzengel zu Wort kommen, beginnt das Oratorium mit einer Orchester-Einleitung, mit dem Titel „Die Vorstellung des Chaos“. Dieses „Chaos“ ist der Zustand vor Beginn der Schöpfung. Das Bild vom Urzustand der Welt entstammt der antiken Chaosvorstellung von der völligen Leere mit Unordnung und Verwirrung. Der erste Ton der „Schöpfung“ symbolisiert die vollständige Leere:

Wir hören eine offene Oktave, ohne weitere Töne dazwischen, keine Quinte oder Terz, die Orientierung bieten könnte. Gleich danach wird es musikalisch revolutionär. Mit extremen Ausdrucksmitteln stellt der Komponist Verwirrung und Orientierungslosigkeit dar, gleichzeitig den ständigen Versuch, diesem „Chaos“ zu entkommen. Aufsteigende Figuren und erste Motiv-Fragmente bahnen sich den Weg aufwärts aus dem Chaos heraus, das Orchester sucht quasi den Weg nach oben zum Licht, wird aber immer wieder von der komponierten Ursuppe unterbrochen und eingeholt…

Aus dieser ungeordneten Ursuppe tritt dann schließlich der Erzengel Raphael hervor und berichtet vom ersten Schöpfungsakt: Gott erschafft das Licht, in einer Art musikalischem Urknall.  … Ich kann Ihnen allerdings berichten, dass die ersten Aufführungen der Schöpfung nach dieser Stelle mehrfach unterbrochen wurden, weil die Zuhörer „von innerer Erregung überwältigt wurden, so dass eine Hysterie ausbrach“, die sich zunächst wieder beruhigen musste.

Aus der biblischen Schöpfungsgeschichte wechselt der Text dann in die Dichtung von John Milton, beschrieben wird nun die Höllenfahrt der Heerscharen des Teufels, die mit „Verzweiflung, Wut und Schrecken“ entfliehen, so dass schließlich eine „Neue Welt“ entstehen kann:

Die „Neue Welt“ mit klarer Harmonie und homophonem Satz, also musikalischer Klarheit und Schlichtheit, wird kontrastiert mit dem „Chaos“ der vorangehenden musikalischen Epoche. Es ist die Polyphonie im Stile eines Johann Sebastian Bach mit der die wild durcheinander singenden Stimmen auf „Verzweiflung, Wut und Schrecken“ beschrieben werden. Schließlich finden diese Stimmen dann aber in der „Neuen Welt“ zu Ordnung und zur klaren, einfachen Struktur der klassischen Epoche. Das Bild von der geordneten „Neuen Welt“ symbolisiert darüberhinaus die Aufklärung und die humanistische Vorstellung von der verstandesgeleiteten Ordnung als lebensweltlichem Grundprinzip- Haydn und van Swieten waren Mitglieder in Freimaurerlogen, wie übrigens zur gleichen Zeit auch Mozart und Goethe.

Am zweiten Tag entstehen die Himmelsgewölbe, wir hören Stürme, Donner, Blitze, den allerquickenden Regen und den leichten flockigen Schnee. Raphael führt durch die Handlung, und der Komponist beschreibt all diese Dinge sehr plastisch, und zwar immer erst instrumental und dann im Text. Wir hören also den Donner, dann den Bericht vom Donner, die Blitze, den Regen, den Schnee immer erst im Orchester bevor der Erzengel davon berichtet.

Anschließend besingt der Erzengel Gabriel voller „Staunen“ das geschaffene „Wunderwerk“, der Abschluss des jeweiligen Tages wird vom Chor besungen und gefeiert, der Chor hat hier und auch später die Rolle der „Himmlischen Heerscharen“.

Am dritten Tag wird das Meer erschaffen, hier zeigt sich Haydn wiederum von seiner klangmalerischen Seite: wir hören in der Musik genau das, was im Text erzählt wird: schäumende Wellen, das wilde, ungestüme Meer. Später beruhigt sich die Musik, und Raphael berichtet von der Erschaffung der Berge, Flüsse und Bäche.

Am vierten Tag geht dann zum ersten Mal die Sonne auf – ganz leise beginnend, auf einem Ton, langsam immer heller, harmonischer und lauter werdend, bis die Sonne schließlich in glänzendem C-Dur erstrahlt – auch dies werden Sie im Konzert hören, sie werden die aufgehende Sonne ganz sicher erkennen. Anschließend darf der deutlich sanftere Mond seine erste Bahn ziehen, bevor wiederum der Chor Gottes Tagwerk preist: nach dem Text einer Bach-Kantate „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“.

Wie in der gesamten Schöpfung steht hier nicht der Schöpfer im Vordergrund, sondern „seiner Hände Werk“, auch die Rezitative enden immer wieder mit den Worten „und Gott sah, dass es gut war“. Haydns Schöpfung skizziert durch die Fokussierung auf die göttliche Qualität in der geschaffenen Existenz eine pantheistische Weltsicht, die sich wie ein roter Faden durch das gesamte Werk zieht.

Am fünften Tag wird von der Erschaffung der Fische, der Vögel, des Viehs und schließlich des Menschen berichtet. Der Erzengel Gabriel (Sopran) singt von den starken Fittichen des Adlers, von der Lerche und dem zarten Taubenpaar, das „lieb girrend“ durch die Holzbläsergruppe hin- und herflattert. Wir hören außerdem zum ersten Mal die Nachtigall singen, gespielt von der Flöte. Die Nachtigall singt in diesem Moment, kurz nach ihrer Erschaffung, noch ohne Wehmut: Im Text heißt es: „Noch drückte Gram nicht ihre Brust, noch war zur Klage nicht gestimmt ihr reizender Gesang“. Die Melancholie im Nachtigallengesang kommt also erst mit dem späteren Sündenfall, und Haydn komponierte die Nachtigall so, wie sie nach seiner Vorstellung im Paradies ursprünglich unbeschwert gesungen haben muss. Anschließend werden die neu erschaffenen „großen Walfische“ von den breiten Armen der tiefen Streicher ins Wasser geleitet, verbunden mit der Aufgabe, fruchtbar zu sein und sich zu mehren.

Am sechsten Tag sind dann die Wesen des trockenen Landes an der Reihe: Gott erschafft den brüllenden Löwen, das Heer der Insekten und zahlreiche Würmer. Alle Tiere sind nun erschaffen und vermehren sich, bis sie Himmel, Wasser und Erde füllen. Den Boden drückt, wie Raphael singt, der Tiere Last, und hier greift Haydn zu einem besonderen Effekt: ein Kontrafagott formuliert das Gewicht der Tiere mit einem lauten und überraschenden Sub-Kontra-B, der tiefste Ton, den Haydns Orchester überhaupt zur Verfügung hatte.

Anschließend verkündet Raphael, dass noch etwas fehlt: das Wesen, das „Gottes Werke dankbar sehn“ sollte: der Mensch. Mit heroischen Beschreibungen wird die Erschaffung des Menschen nachgezeichnet, Mann und Frau entstehen in diesem Falle gleichzeitig. Gabriel, Uriel, Raphael und der Chor preisen das nunmehr „vollendete“ große Werk, bevor Raphael in einer eher dunkel gefärbten Wendung die Vergänglichkeit des Lebens erwähnt. Der Tod ist bei Haydn notwendiger Teil der Schöpfung. Aus neu eingehauchtem Odem entsteht neues Leben, „verjüngt an Geist und Kraft“. Ohne Tod gibt es keine Erneuerung, dieser Kreislauf wird als ernster und beängstigender Teil der Schöpfung, aber eben auch als Voraussetzung für ihre Weiterentwicklung dargestellt.

Am siebten Tag wird in diesem Falle nicht geruht, stattdessen berichtet Haydn von Adam und Eva im Paradies. Bariton- und Sopran-Solisten wechseln ihre Rolle von den Erzengeln zum paradiesischen Paar, gleichzeitig ändert sich die Erzählperspektive: Uriel gibt eine kurze Einführung in die „reine Harmonie“ des Paradieses, die Haydn mit nicht weniger als drei Flöten präsentiert. Dass es drei Flöten sind, ist sicher kein Zufall. Die Klanggestaltung hier und an anderen Stellen erinnert an den Gesang der drei Knaben in Mozarts „Zauberflöte“, hier wie dort wird musikalisch und zahlensymbolisch, die größtmögliche Reinheit und Unschuld dargestellt und personifiziert.

Anschließend erteilt Uriel Adam und Eva das Wort, sie preisen Gott und die neu geschaffene Welt in einem Dankgebet, in das der Chor einstimmt und in einen kräftigen Lobgesang überführt. Adam und Eva singen dann ein opernhaftes Liebesduett. Haydn erlaubt sich in diesem Duett einige Späße, zum Beispiel plakative Tusch-Schläge beim Text „mit dir erhöht sich jede Freude“, und er lässt die Musik mit traubenförmigen Girlanden deutlich angeheitert durch das Orchester schwanken, wenn Adam von der Herrlichkeit „der runden Früchte Saft“ schwärmt! Eva schwärmt weniger von der runden Früchte Saft, sondern mehr vom reizenden Blumenduft, doch dies trübt die traute Zweisamkeit zunächst noch nicht. Allerdings gibt es kurz vor Ende des Werkes doch einen Hinweis auf kommendes Unheil: Uriel ergreift wieder das Wort und warnt das Paar vor Hochmut und Gier. Dies ist der einzige, sehr zaghafte Hinweis auf den späteren Sündenfall, der ansonsten in Haydns Werk ausgeklammert wird.

Die Schöpfung endet dann mit einem fulminanten Schlusschor in einer Doppelfuge, bevor sich der Chor für die letzten Worte „Des Herren Ruhm er bleibt in Ewigkeit“ wieder in trautem Einklang zusammenfindet, am Ende behält doch die einfache, klare Ordnung die Oberhand.

Meine Damen und Herren, Johann Wolfgang von Goethe wird mit dem Satz zitiert, er habe nach dem Hören von Haydns „Schöpfung“ die unwillkürliche Neigung (gehabt), irgendetwas zu tun, was ihm als gut und gottgefällig erscheinen möchte. Man darf den Begriff „gottgefällig“ dabei nicht missverstehen: Goethe war sehr gläubig und dennoch ein scharfer Kirchenkritiker. Und so ist die „Schöpfung“ von Haydn genau genommen auch keine „Kirchenmusik“ im engeren Sinne. Alle frühen Aufführungen fanden in Konzertsälen statt und nicht in Kirchen, auch wenn das Werk dann später ihren Weg, wie auch heute, in die Gotteshäuser fand. Trotz des vielfachen Gotteslobs ist die „Schöpfung“ kein missionarisches Werk, Haydn war natürlich auch kein „Kreationist“ im heutigen Sinne, der die Schöpfungsgeschichte im Wortlaut für einen historisch-dokumentarischen Bericht gehalten hätte. Joseph Haydn war im Grunde Pantheist, im Zentrum seines Werkes steht nicht der Schöpfer, sondern das, was geschaffen wird, nicht die Größe und Pracht einer möglicherweise autoritären Instanz, sondern die Herrlichkeit dessen, was eine wie auch immer geartete Macht hervorgebracht hat.

Die „Schöpfung“ ist auch nicht ausschließlich an Christen gerichtet. Sie vermittelt keine Lehrmeinung, sondern sie transportiert ein Grundvertrauen an einen guten, gewissermaßen „göttlichen“ Funken in allem was existiert. Die „Schöpfung“ ist keine feststellende Beschreibung des Menschen als „Mann und König der Natur“, wie Uriel in seiner Arie singt, sondern eine Aufforderung an den Menschen, sich wie ein verantwortungsvoller „König“ zu verhalten, für die Natur Sorge zu tragen, ein Auftrag, aus der Gewissheit um das grundsätzlich Gute in allem was ist auch die Konsequenz für sein sorgfältiges Handeln zu ziehen.

Dies gelingt dem Mensch nicht immer, die Folgen sehen wir täglich in den Medien und in unserem Umfeld. Auch Joseph Haydn selbst musste es erleben, er starb während eines Angriffs der Truppen Napoleons auf Wien. Dass der Mensch sich oft alles andere als verantwortlich verhält, ändert indes nichts an dem Wert und der Notwendigkeit des Grundvertrauens in das Gute, das Haydns Schöpfung transportiert.

Joseph Haydn erzählt eine Parabel, eine wunderbare Geschichte von der Entstehung der Welt. Die Geschichte richtet sich an Sie, an die Zuhörer, und Haydn erzählt die Welt aus der Sicht eines Kindes, das die Geschichte zum ersten Mal hört, die Musik lässt uns die Geschichte immer wieder wie beim ersten Hören erleben. Der Rezensent einer frühen Aufführung schrieb: „Die Musik hat eine Kraft der Darstellung, welche alle Vorstellung übertrifft; man wird hingerissen, sieht der Elemente Sturm, sieht es Licht werden, die gefallenen Geister tief in den Abgrund sinken, zittert beym Rollen des Donners, stimmt mit in den Feyergesang der himmlischen Bewohner. Die Sonne steigt, der Vögel frohes Lob begrüsst die steigende; der Pflanzen Grün entkeimt dem Boden, es rieselt silbern der kühle Bach, und vom Meersgrund auf schäumender Woge wälzt sich Leviathan empor.“

Haynds „Schöpfung“ erzählt die Geschichte aus einer begeisterten, freudigen Sicht, mit gewissermaßen kindlichem Staunen, wie es Gabriel in der ersten Sopranarie formuliert. Meine Damen und Herren, lassen Sie sich zum Staunen verführen, und lassen Sie mich schließen mit einem Zitat des bereits erwähnten Pantheisten und Haydn-Fans Johann Wolfgang von Goethe:

„Die Natur verbirgt Gott. Aber nicht jedem“.

Soweit Alexander Mottok, bei dem wir uns herzlich bedanken für die freundliche Überlassung seines Vortrages! Seinem Aufsatz ist nichts mehr hinzuzufügen!

Wir haben mit unseren Partnerchören „Die Schöpfung“ am 5. Juni 2013 um 19:30 Uhr in der Paderhalle aufgeführt.

Die Solisten waren:
Cornelie Isenbürger, Sopran
Annika Brönstrup, Alt
Georg Poplutz, Tenor
Jens Hamann, Bass

Es spielte die „Nordwestdeutsche Philharmonie“ (NWD) unter der Gesamtleitung von
Matthias Hellmons.

Wir bedanken uns beim Westfalen-Blatt und bei Herrn Wolfgang Günther für die nachfolgende Konzertkritik und die Genehmigung zur Veröffentlichung!

Aus dem Vollen geschöpft
Begeisternde Aufführung des Haydn-Oratoriums durch den Städtischen Musikverein

Paderborn (WV). Bestens einstudiert zeigten sich die Chöre im Frühjahrskonzert des Städtischen Musikvereins Paderborn. Das Publikum in der nicht ganz ausverkauften Paderhalle erlebte eine glanzvolle Aufführung.

Von Wolfgang Günther

Das achte und somit letzte Sinfoniekonzert der Saison in der Reihe des Paderborner Kulturamtes stellte eine Besonderheit dar: als »Chorsinfoniekonzert« führte der Städtische Musikverein – verstärkt durch den Musik-Verein Oelde und die »Capella Loburgensis Ostbevern – Joseph Haydns »Schöpfung« auf.

Der Städtische Musikverein hat dieses so beliebte Werk schon in der Vergangenheit stets mit großem Erfolg immer wieder ins Programm genommen. Die Chöre und Solisten wurden auch diesmal wieder begleitet von der Nordwestdeutschen Philharmonie. Die Gesamtleitung lag in den Händen von Matthias Hellmons.

Die Beliebtheit dieses Oratoriums liegt auch in dem immensen kompositorischen Erfindungsreichtum und der Klarheit in der musikalischen Aussage und unmittelbaren Wirkung. Haydn findet für jedes im Text beschriebene Detail genau die richtigen klanglichen Mittel, um den Gehalt zu verdeutlichen.

Der Komponist war stets auf der Suche nach neuen Klangkombinationen, wobei er sich nicht scheute, manchmal auch überkommene harmonische Strukturen in ungewohnte Zusammenhänge zu stellen oder mit dynamischen Mitteln Überraschungseffekte zu erzielen.

Ein herausragendes Beispiel hierfür ist die Einleitung zur »Schöpfung« – eines der eigenartigsten Werke der Musikliteratur. Die biblische Beschreibung des Chaos\‘ ist ohnehin ein kompositorisches Wagnis; Haydns Mittel sind die Verschleierung der Tonart, das Verhältnis von dissonanter Spannung zur Auflösung oder die abrupte Gegenüberstellung dynamischer Extreme – die Aufzählung ließe sich fortsetzen. In seiner absoluten Beherrschung der kompositorischen Kunst vermag es Haydn auch, durch eine kaum spürbare Anwendung der Sonatenform Gestaltloses in Form zu gießen.

Im Blick auf die Qualität der Darbietung war diese Einleitung allerdings noch das relativ Beste, was das NWD-Orchester in der Begleitung zu bieten hatte. Immer wieder zeigten die Blechbläser Ungenauigkeiten in der Intonation. Zur bislang gewohnten klanglichen Homogenität fand das Orchester nur stellenweise.

Sehr erfreulich war der sängerische Einsatz des Chores; da war vorbildliche Konzentration zu erkennen. Alles war gut einstudiert, klar in der sprachlichen Ebene und angenehm ausgewogen in den hohen und tiefen Stimmlagen sowie im Verhältnis der Frauen- zu den Männerstimmen. Das war begeisternd und mitreißend; die Einsätze kamen genau, die dynamische Differenzierung war überzeugend.

Die Gesangssolisten mit Cornelie Isenbürger (Sopran) als Gabriel, Georg Poplutz (Tenor) als Uriel und Jens Hamann (Bass) als Raphael – er war für den erkrankten Markus Krause eingesprungen – waren in der Dynamik gut aufeinander abgestimmt. Auch als Terzett und in den Einzeldarbietungen wussten sie zu überzeugen und gaben ihren Partien Glanz.

Das Publikum dankte mit langem und herzlichem Beifall für diese beglückende Aufführung.

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