Carmina Burana

Carmina Carmina Burana

26.05.2010, Komponist: Carl Orff

Mittelalterliche Klostergesänge aus dem Kloster Benediktbeuren in lateinischer und mittelhochdeutscher Sprache.

Pressestimmen

„O Fortuna“ aus 100 Kehlen

Effektvolle Aufführung des Orff-Werkes

Paderborn (WV). Carl Orffs Carmina Burana, wohl eines der populärsten Chorwerke des 20. Jahrhunderts überhaupt, stand im Mittelpunkt des letzten Konzertes in der Reihe der Städtischen Musikkonzerte dieser Saison.

Es gibt Komponisten, die verdanken ihren Ruhm und ihre ungebrochene Popularität einem einzigen Werk. Zu ihnen gehört auch der 1982 in München verstorbene Komponist Carl Orff, dessen deftige lateinisch-mittelhochdeutsche Huldigung an das Mittelalter, an Wein, Weib und Gesang als ein Sensationserfolg gilt.

Mit mehr als 100 Sängerinnen und Sängern huldigte die Aufführung in der Paderhalle durch die Chöre des Musikvereins Oelde, der Capella Loburgensis Ostbevern sowie des Konzertchores und der Kinder- und Jugendchöre des Städtischen Musikvereins Paderborn und des Kinderchores der Capella Loburgensis Ostbevern am Mittwochabend zugleich dem Schöpfer des modernen Urtheaters.

Die von Carl Orff getroffene Gedichtauswahl der um 1230 entstandenen I. Handschrift der »Lieder aus Benediktbeuern« gewinnt aus einer raffinierten Synthese von eingängig-volkstümlicher Melodik, hämmernder Motorik und perkussiv-farbigem Orchesterklang ihre Schlagkraft, die in Paderborn in der vollen Länge des Originals von 65 Minuten zum Singen und Klingen gebracht wurde.

Sofern man bei Orff über chorische Schlagkraft und rhythmisch sprachliche Perfektion hinaus überhaupt von »Interpretation« sprechen kann, näherten sich die Sängerinnen und Sänger dem Werk mit seinem dröhnend-eingängigen Eingangschor »0 Fortuna«, der bis heute nicht nur als Inbegriff einer Schokoladenwerbung gilt, mit musikalischer Frische und Klangpracht. Im Mittelpunkt der weiterführenden chorischen Gestaltung stand durchgängig die temperamentvolle Darstellungen der unterschiedlichen Stimmungen: Mit oft drastischem Humor und einer Menge Einfühlungsvermögen in die teils lockeren, teils nachdenklich-moralisierenden lateinischen Lieder wechselten sich Derbheit (Trinklieder der zweiten Szene) und Zartheit (Liebeslieder der Frühlingsfeier), mächtige Klangsubstanz und durchsichtiges Gewebe in den einzelnen Stimmen mit bemerkenswerter sprachlicher Plastizität ab. Besonders herausgestellt werden die Kinderchöre aus Paderborn und Ostbevern sowie der Jugendchor, die mit sauberer Intonation und großer Aufmerksamkeit das »Totus Floreo« klangschön interpretierten. Die Solisten – Sarah Davidovic (Sopran), Clemens Löschmann (Tenor) und Markus Krause (Bass) – waren den erheblichen stimmtechnischen Ansprüchen und den extremen Lagen, in denen sie ständig singen mussten, souverän gewachsen. So zeichnete Clemens Löschmann im »Olim lacus colueram« stimmlich geradezu bis an die Grenzen seiner Möglichkeiten gefordert, auch gestisch vorzüglich die »psychischen Nöte« des gebratenen Schwans mit großer Hingabe nach, Markus Krause trug das »Estuans interius« mit prächtig stimmlichen Glanz vor und Sarah Davidovic begeisterte durch ihre sehr empfindsame, technisch makellose Gestaltung des »Dulcissime«.

Immer wieder mobilisierte Matthias Hellmons (Choreinstudierung und musikalische Leitung) die kompositorischen Elementarkräfte an ostinater Rhythmik und tänzerischer Ekstatik, die die durch Pauken, Schlagzeug und Flügel spieltechnisch hervorragend verstärkte Nordwestdeutsche Philharmonie mit Spielfreude (besonders klangschön in der Soloflöte), stählernem Martellato und temperamentvoll vorwärtstreibender Rhythmik theatralisch-effektvoll, insbesondere in den Blechbläsern, ausbreitete. Insgesamt eine Konzeption, die einerseits durch verhaltene Tempi zu plastischer und präsenter Gliederung führte, andererseits durch impulsiv-schwungvolle Farbigkeit unmittelbar mitriss, »Bravo«-Rufe und begeisterter Beifall erzwangen zwei Zugaben.

Günther Wiedemann

Westfalen-Blatt vom 28.05.2010


Betrunkener Bassist und gegrillter Tenor

Rundum gelungene Carmina Burana

Paderborn. Carl Orffs Carmina Burana – es gibt wenige Großwerke in der abendländischen Musikgeschichte, deren Namen einem Mythos gleichkommen. Seit nunmehr über 70 Jahren lockt dieses Werk die Zuhörer in die Konzertsäle, diese scheinen willig und in Scharen zu kommen, lassen sie sich doch offenbar gern durch Musik und Text dieser archaisch anmutenden Klänge in die Welt des Mittelalters entführen.

Dass das Paderborner Publikum hier keine Ausnahme bildet, bewies die Aufführung dieses Orff\’schen Hauptwerkes im Rahmen des Sinfoniekonzertzyklus, in dem sich die Nordwestdeutsche Philharmonie und der Chor des Städtischen Musikvereins in Kooperation des Musikvereins Oelde und der Capella Loburgensis dieser populären Musik annahmen.

Weltliche Poesie des Mittelalters – so lassen sich die literarischen Quellen beschreiben, auf die Carl Orff im Jahre 1937 zurückgriff. Dass diese weltliche Poesie ausgerechnet in der Klosterbibliothek der altehrwürdigen Benediktinerabtei Ottobeuren aufgefunden wurde, verwundert auf den ersten Blick, legt andererseits jedoch Zeugnis davon ab, dass die Welt mit ihren Versuchungen und Freuden auch schon vor Jahrhunderten nicht vor Klostermauern halt machte.

Klanggewaltig, wie es sich gehört, geriet der mächtige Eingangschor, beschreibend das ewig bleibende Schicksal des Menschen, bestimmt durch Göttin Fortuna. Gut, dass solche Konzerte unter der bewährten Stabführung von Matthias Hellmons immer in Chorunion mehrerer Ensembles ausgeführt werden, der imposante Orchesterklang würde die Vokalsektion spielend zudecken.

Orffs Musik, das ist hinlänglich bekannt, lebt vom Rhythmus. So erwiesen sich sowohl Orchester als auch Chor als außerordentlich rhythmisch sicher, die teils zügigen Übergänge gerieten nahtlos und fließend, ohne Wackler, die sich in dieser Musik schnell einstellen können.

Trotz modernen Personalstils bleibt Orffs Musik für den Zuhörer immer mitreißend und packend, ja sogar kurzweilig im positiven Sinne. Die Idee, einige der Stücke plastisch-theatralisch darzustellen, konnte nur begrüßt werden. So schlich sich Clemens Löschmann (Tenor), ganz in weiß gekleidet, als sterbender Schwan in der Pfanne auf seine Position, um hier in herrlich ironischer Weise dem Leid des gegrillten Geflügels zu huldigen. Der dem Publikum seit langem bekannte Bassist Markus Krause nahm gar die Rolle des betrunkenen Abtes so wörtlich, dass er, mit zwei Bierflaschen bewaffnet, den Weg zum Dirigentenpult suchte, um dem Kapellmeister an seinen weltlichen Freuden teilhaben zu lassen. Kleine Augenzwinkereien, die sich aber überzeugend in die Aufführung einfügten.

Dass das Werk gar dem vor vier Jahren gegründeten Nachwuchschor des Städtischen Musikverein Betätigungsfeld bietet, bewies Hellmons als künstlerischer Leiter, indem er die jungen Stimmen des Kinder- und Jugendchores mit kleinen Partien im dritten, der Liebe gewidmeten, Teil in das große Ganze einband. Hier hatte nun auch die dritte Solistin, Sarah Davidovic (Sopran), ihren Einsatz. Mittels ruhiger Führung bildeten ihre Parts wohltuende Gegensätze zu den sonst eher turbulent und burlesk anmutenden Szenen.

Thomas Schulze-Athens

Neue Westfälische vom 28. Mai 2010

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